Bewegung ist ein wichtiger Teil unseres Lebens und es ist bekannt, dass Bewegung ganz allgemein mit gesundheitsfördernden Wirkungen verbunden ist.
Es zeigt sich jedoch häufig die Schwierigkeit, dass sich die Bewegung nicht mit ihrem ganzen Potenzial entfalten kann. Wie oft ist der Körper beladen mit Stress und Sorgen, woraus sich wiederum Fixierungen im Atemprozess, Muskelverspannungen und Stauungen im Gewebe entwickeln können. Es geht damit der Verlust eines gesunden Empfindens für den Körper und seine Ästhetik einher, da man sich an diese Missverhältnisse all zu leicht gewöhnt. Beispielsweise kommt es vor, dass jemand joggt und sich dabei im Atem völlig fixiert, so dass er danach nicht erfrischt und entspannt ist, sondern sogar noch verspannter und verkrampfter in der Muskulatur ist als zuvor.
Aus diesem Grund ist es günstig, die Ästhetik der Bewegung auf gezielte und bewusste Weise zu fördern. In der von mir vermittelten Praxis mit Asana (Yogaübungen) und allgemein Bewegung wird deshalb nicht ausgehend von den vorliegenden Körperbedingungen mit ihren Einschränkungen gearbeitet, sondern ausgehend von einem Ideal der Übung:
Wie sieht eine Bewegung / eine Yogaübung aus, so dass sie wirklich ästhetisch ist?
Das Ideal der Übung oder der Bewegung wird erst einmal in der Vorstellung kreiert und erst danach erfolgt die Umsetzung in der praktischen Ausführung gemäß dieser idealen Vorstellung in einzelnen, konkreten und aufeinander aufbauenden Schritten.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich auf diese Weise die Form der Übung sichtlich herauskristallisiert und diese unmittelbar an Ästhetik gewinnt. Die gesamte willentliche Umsetzung der Bewegung ist von mehr Leichtigkeit begleitet und kann gekonnter erfolgen. Dies ist unabhängig davon, wie beweglich der Einzelne ist. Ganz natürlich können in der Folge Muskelverspannungen zurückweichen und gestaute Bereiche wieder mehr in ein Fließen kommen. Es entwickelt sich ein neues ästhetisches Empfinden gegenüber dem Körper, welches zunehmend auch in den Alltag integriert werden kann.
Beginnende Phase beim gedrehten Dreieck (parivrtta trikonasana): Die Bewegung wird von Anfang an weit im luftigen Raum angesetzt. Der Halt ist hierbei in der Mitte des Rückens, womit die Arme gelöst ausgleiten können.
Aufgrund der Gliederung in einen stabilen Stand mit den Beinen, einer Halt gebenden und gleichzeitig dynamischen Mitte auf Höhe der Flanken und einer gelösten Streckung der Arme entsteht eine klare und ästhetische Form.
Warum ist diese Art der Umsetzung von Bewegung und Yogaübungen heilsam?
Grundsätzlich fördert Bewegung eine Anregung des Stoffwechsels, eine Kräftigung des Kreislauflebens, eine bessere Durchlüftung der Lungen und Vieles mehr. Diese Wirkungen entstehen bereits mit der äußerlich ausgeführten Bewegung. In der Übungspraxis, die von einer idealen Vorstellung ausgehend die Asana oder Bewegung gestaltet, kommt noch etwas hinzu. Durch diese bewusstseinsmäßige Aktivität mit dem Denken, Fühlen und Wollen entstehen noch weitere Wirkungen und die äußeren Anregungen durch die Bewegung erfahren dadurch eine Intensivierung und Vertiefung.
Mit dieser Aktivierung der Bewegung aus dem Bewusstsein entstehen ganz neue, aufbauende Kräfte, die nicht aus dem Körper kommen, sondern im Bewusstsein neu geschaffen werden. Jeder dürfte diese Erfahrung, die man manchmal zufällig macht, kennen: an einem Abend liegt man beispielsweise völlig erschöpft und kraftlos auf der Couch. Plötzlich kommt einem eine Idee, die man vielleicht schon lange einmal verwirklichen wollte, in einer glasklaren bildlichen Vorstellung in das Bewusstsein. Alle Kraftlosigkeit ist wie durch ein Wunder verschwunden, man fühlt die Glieder durchströmt von neuen Kräften und springt auf, um an die Umsetzung dieser Idee zu gehen. Wo kommen diese Kräfte so plötzlich her? Sie kommen aus der Idee, die einen motiviert. Diesen Prozess – der manchmal unbewusst auf zufällige Weise im Leben entsteht – lernt man in der hier vermittelten Yoga- und Bewegungspraxis auf bewusste Weise herbeizuführen.
Durch die Umsetzung der Asana oder Bewegung ganz allgemein nicht aus dem Körpervermögen heraus, sondern ausgehend von einer gedanklichen Idee oder Idealvorstellung der Übung entsteht eine Loslösung von den körperlichen Bedingungen und Fixierungen, sowie ein Offenwerden und Weitwerden im Bewusstsein zu neuen hoffnungsvollen Möglichkeiten. Dies eröffnet dem Menschen neue Perspektiven, erweitert das Interesse und die Teilhabe am Leben, womit rückwirkend auf den Körper die gestauten Lebenskräfte wieder mehr in ein Fließen kommen und sich neue Kräftewirkungen entfalten können. Dies wirkt wiederum den Schweretendenzen des Körpers und degenerativen Prozessen entgegen.
Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang folgende Ausführungen von Heinz Grill, Begründer des Neuen Yogawillen, zu den heilsamen Wirkungen der Yogaübungen aus einer geistigen Sichtweise:
„Von einem imaginativen und geistigen Standpunkt aus betrachtet, sind es nicht die Körperübungen des Yoga, die eine Heilung, Niveauveränderung oder Konditionsverbesserung im Bewegungsapparat herbeileiten, sondern es sind die neuen Möglichkeiten, die sich durch die Aufmerksamkeit, Begeisterung, Sensitivierung, Differenzierung, Erlebensbereicherung und Bewusstseinserkraftung entwickeln. Das Bewusstsein ist wie die Lampe im Raume des Körpers, eine kosmische Lampe, die erleuchtend und befeuernd wirkt und damit erfrischende und erbauende Kräfte für die beständig zur Erschöpfung und Alterung neigende Körperlichkeit liefert. Dieses Bewusstsein regt die Ätherkräfte, das heißt die gesamte Aufbauleistung des Menschen an.“1
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Lesen Sie zur weiteren Vertiefung auch den Artikel über die gesundheitlichen Wirkungen von Yogaübungen: „Die gesundheitlichen Wirkungen der Asana am Beispiel des Dreiecks„
1Grill, Heinz: Kosmos und Mensch, S. 113.